Erste Schritte zur Digitalen Barrierefreiheit
Wie wir uns in unserem Alltag bewegen können, wird maßgeblich dadurch bestimmt, wie die Welt um uns herum gestaltet ist. Menschen verfügen über sehr unterschiedliche Fähig- und Fertigkeiten. Sie können verschiedene Dinge tun. Das bedeutet auch, dass manches, was für eine Person hilfreich ist, für eine andere ein Hindernis sein kann. Wenn wir als Gesellschaft allen Personen einen gleichberechtigten Zugang ermöglichen wollen, dann müssen wir diese Diversität von Fertigkeiten bedenken. Ein einfaches und analoges Beispiel dafür, wie Barrieren reduziert werden, sind Aufzüge und Rampen – diese ermöglichen das Überwinden von Höhenunterschieden für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Für viele dieser Personen würde eine Treppe eine unüberwindbare Barriere darstellen. Doch auch digitale Lösungen, die eine Teilhabe im Netz möglichst einfach gestalten sollen, weisen Barrieren auf. Im Gegensatz zu Treppen sind digitale Barrieren allerdings häufig nicht sichtbar in der Öffentlichkeit: Digitale Teilhabe geschieht zumeist am eigenen Bildschirm. Entsprechend ist es besonders wichtig, digitale Barrierefreiheit genauer zu beleuchten.
Zuhören und lernen
Wir sind keine Expert:innen für digitale Barrierefreiheit beim Liquid Democracy e.V. – und halten das Thema dennoch für unumgehbar, wenn wir inklusivere Lösungen für digitale Teilhabe finden wollen. Und das wollen wir. In einem ersten Schritt haben wir deshalb angefangen, uns mehr über das Thema digitale Barrierefreiheit zu informieren. Dafür haben wir einen Liquid Tank mit der Expertin Dr. Irmhild Rogalla veranstaltet und organisationsinterne Workshops mit den Sozialheld*innen organisiert, um von denjenigen zu lernen, die Barrieren besser verstehen als wir. Uns hat das geholfen, den erst noch abstrakten Begriff „digitale Barrierefreiheit“ oder „accessibility“ (engl.) greifbarer zu machen.
Wie beispielsweise Menschen mit Sehbeeinträchtigungen Screenreader nutzen, um Webseiten verstehen zu können, war uns bislang noch nicht genau bewusst. Für uns hat das die Relevanz von prägnanten Alternativtexten unterstrichen, auf die wir jetzt bei der Website-Einbindung besonders achten. Diese sind notwendig, damit Screenreader-Nutzende Bildinhalte verstehen können. Das ist ein Beispiel (von vielen) für einen Aha-Moment, den wir in punkto Barrierefreiheit im Team hatten.
Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, wie wir die Interaktion mit digitalen Technologien tendenziell gestalten. Die meisten User Interfaces funktionieren so: Die User:in sieht Inhalte auf einem Bildschirm, fährt mit der Maus oder ihrem Finger über Elemente auf dem Bildschirm, die angeklickt werden müssen. Nutzungsvoraussetzung ist ein Sehsinn, der Inhalte und Steuerungselemente gut genug erkennt. Außerdem müssen die motorischen Fähigkeiten vorhanden sein, um Maus oder Touchscreen zu bedienen. Videos mit Ton wollen gehört werden. Viele Texte im Internet müssen gelesen und verstanden werden. Auch diese Fertigkeiten sind nicht selbstverständlich.
Erste Schritte zum Einstieg
Eine weitere Erkenntnis für uns ist, dass sich viele Barrieren einfach abbauen lassen. Ein Beispiel: Schwache Farbkontraste erschweren es vielen Menschen, Inhalte visuell aufzunehmen. Was ein ausreichender Kontrast ist, ist allerdings klar definiert: 4.5 zu 1 für normalen Text, 3 zu 1 für großen Text und Grafiken und Buttons. Um das zu prüfen, können einfache Werkzeuge genutzt werden, wie zum Beispiel dieser Contrast Checker.
Alternativtexte und Kontraste sind zwei Beispiele für „easy fixes“, also einfache Maßnahmen, die sich leicht umsetzen lassen und trotzdem einen großen Unterschied machen. Untertitel machen Videos für gehörlose Menschen zugänglicher und lassen sich leicht einfügen. Barrierefreiheit als Ganzes ist allerdings kein Zustand, der sich in drei Schritten erreichen ließe. Zudem gibt es unterschiedliche Stufen der Barrierefreiheit: A, AA und AAA. Glücklicherweise gibt es dazu umfangreiche und systematische Standards, die festlegen, wann etwas wie barrierefrei ist: die WCAG-Richtlinien.
Weiter geht‘s
Vom World Wide Web Consortium wurde ein Set an Standards festgelegt, auf die sich EU-Normierungen und nationale Gesetze beziehen. Die sogenannten Web Content Accessibility Standards (WCAG), zu Deutsch „Web Inhalte Barrierefreiheit Standards“, strukturieren die zentralen Aspekte der Barrierefreiheit entlang von vier zentralen Kriterien:
- Perceivable – Wahrnehmbar (auf mehreren Sinneskanälen)
- Operable – Bedienbar (beispielsweise auch für Menschen, die keine Maus nutzen)
- Understandable – Verständlich (verständliche und logisch strukturierte Inhalte)
- Robust – Haltbar bzw. robust (Anwendungen sind beispielsweise verwendbar auf verschiedenen Geräten oder in unterschiedlichen Browsern)
Die WCAG definieren genau, wann etwas wie wahrnehmbar oder bedienbar ist. Diese klaren Guidelines ermöglichen es, digitale Angebote entlang der festgelegten Standards zu testen. Für uns besteht genau darin der nächste Schritt auf dem Weg hin zu mehr Barrierefreiheit. Wir wollen unsere digitalen Angebote daraufhin testen, wie barrierearm sie sind, um sie dann verbessern zu können. Und wir wollen in Zukunft diverse Nutzungsweisen mitdenken und so eine möglichst inklusive digitale Teilhabe für alle gestalten.
Wenn auch euer Team sich mehr mit digitaler Barrierefreiheit befassen möchte, könnt ihr euch hier nochmal unseren Liquid Tank ansehen.
Diese Webseiten und Organisationen fanden wir außerdem hilfreich, um in das Thema einzusteigen:
WCAG-Richtlinien – Umfangreiche und systematische Standards für Barrierefreiheit auf Webseiten
Bundesfachstelle Barrierefreiheit – Gesammeltes Fachwissen zum Thema Barrierefreiheit und Informationen zu rechtlichen Grundlagen
Sozialheld*innen Akademie – bieten hilfreiche Workshops und Vorträge rund um Disability-Mainstreaming (Menschen mit Behinderung überall mitdenken und einbeziehen), moderne Medienarbeit und politische Kampagnen an
Accessibility Day – Interessante Informationen rund um den weltweiten Accessibility Awareness Day am 19. Mai und zum Thema Barrierefreiheit generell
von Max Westbrock
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