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Digital Participation In Action | video

Liquid Tank #11: Demokratie aktiv gestalten – Online-Petitionen als Tool der Mitbestimmung

Konkret ging es in diesem Liquid Tank um die Frage, wie Online-Petitionen als Tool der Mitbestimmung die demokratische Teilhabe fördern können. Hier und auf Youtube findet ihr ein Video vom Vortrag.

Liquid Tank #11

Zuerst beschrieb Nora, dass gesellschaftliche Veränderung mehr bedeuten würde, als alle vier Jahre wählen zu gehen – vielmehr bräuchten die Bürger:innen vielfältige Möglichkeiten der politischen Beteiligung. Die traditionellen Formen der Partizipation, wie z.B. die Mitarbeit in Parteien, oder das Ehrenamt sind laut einem Bericht des Weizenbaum-Instituts rückläufig. Das digitale Engagement der Bürger:innen hingegen, etwa durch unkonventionelle Formen der politischen Partizipation, wie Online-Petitionen oder Aktivismus in den sozialen Medien, sei in den letzten zwei Jahren stabil geblieben. Mögliche Gründe hierfür könnten neben der Corona-Pandemie unter anderem eine flexible Zeiteinteilung, weniger Barrieren im digitalen Raum und die Beliebtheit von anderen Formen der politischen Arbeit sein.

Online-Petitionen gehören zu den digitalen Formen der Beteiligung. Laut einer repräsentativen Umfrage von innn.it im Zeitraum 2019-2021 haben 52% der Befragten schon mal eine Online-Petition unterschrieben. Dieses Beteiligungs-Format ergänzt deshalb schon seit Längerem die klassischen Formen der politischen Beteiligung.

Für Online-Petitionen existieren aktuell verschiedene öffentliche wie auch private Plattformen. Eine öffentliche Plattform stellt beispielsweise der Deutsche Bundestag zu Verfügung: Dort gingen im Jahr 2022 über 12.000 Online-Petitionen ein. Private Plattformen werden beispielsweise von innn.it, change.org, WeAct, openPetition oder Avaaz gestellt. Viele dieser Portale sind vor etwa zehn Jahren in Deutschland gestartet. Seitdem hat sich ihre Nutzung und das Engagement deutlich vergrößert – eine Entwicklung, zu der auch NGOs wie Greenpeace, Amnesty International oder PETA beigetragen haben. Besonders durch Kampagnen gegen Ungerechtigkeiten und Missstände bei Unternehmen wie Shell, Nestlé oder Siemens wurden Online-Petitionen so zu einem Massenphänomen. Auf innn.it würden sich Petitionen auch an Unternehmen, aber vor allem an staatliche Stellen richten – sowohl auf Kommunal-, Landes-, oder Bundesebene.

Das Bild zeigt die Sprecherin Nora und eine Grafik, auf der 5 Faktoren für eine gute Petition eingeblendet sind.

Auch berichtete Nora, was eine gute Petition ausmacht und stellte uns gelungene Beispiele vor. Erfolgreiche Online-Petitionen sollten dabei diese 5 Punkte berücksichtigen:

  1. Zielgruppe: Eine Petition sollte für viele Menschen relevant und verständlich sein.
  2. Inhalt: Inhaltlich sollten sich klare Forderungen an die richtigen Entscheidungsträger:innen richten und bestenfalls eine realistische „Theory of Change“ aufzeigen, die idealerweise noch erfolgreiche Beispielen aus anderen Ländern nennt.
  3. Emotionen: Die Petition sollte Menschen auch emotional abholen und sie mitfühlen lassen, sodass diese eine höhere Motivation haben, mitzuwirken.
  4. Authentizität: Die Petition sollte mit einer persönlichen Geschichte und Erfahrungen der Initiator:innen unterlegt werden.
  5. Zeitpunkt: Die Petition sollte im richtigen Moment gestartet werden und eine Dringlichkeit haben, was besonders für die mediale Berichterstattung wichtig ist.
„Eine Petition ist nur der Anfang einer Kampagne, auf die viele weitere Aktionselemente folgen. Eine gute Petition kann viele politische Kräfte in Bewegung setzen und auch eine Gesetzesveränderung erzielen.“

Eine gute Petition könne politisch viel erreichen und biete auch die Chance, in einer erfolgreichen Gesetzesänderungen zu münden. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Kampagne ist #KeinDurchschnitt, die sich für die Versorgung genitalverstümmelter Patient:innen einsetzt. Konkret ging es dabei um eine gynäkologische Praxis in München, die eine große Zahl an genitalverstümmelten Patientinnen behandelte und diese Leistung bei den Krankenkassen abrechnete. Diese weigerten sich jedoch, die Behandlungskosten zu tragen, und drohten der behandelnden Ärztin Dr. Tahir mit einer Geldstrafe, da die Behandlungskosten nicht dem Durschnitt einer gynäkologischen Behandlung entsprechen würden. Die Krankenkassen warfen der Ärztin überhöhte Behandlungsgebühren und das Abweichen von standardisierten gynäkologischen Behandlungsrichtlinien vor, obwohl eine traumasensible Behandlung genitalverstümmelter Frauen im Rahmen standardisierter gynäkologischer Untersuchungen nicht annährend durchgeführt werden kann. Aus dieser Petition hat sich eine reichweitenstarke Kampagne entwickelt, zu deren Erfolg unter anderem drei Aspekte beitrugen: Die Kampagne nutze die sozialen Medien, bot vielfältige Formen der Unterstützung an (neben der Petition gab es eine Aktionswebseite mit einer offenen Protest-Mail sowie eine Crowdfunding-Möglichkeit) und es wurde eine medienwirksame Übergabe der Unterschriften gestaltet.

Die Kampagnenplattform innn.it denkt Petitionen auch weiter in Richtung direktdemokratische Initiativen. Tatsächlich wurde innn.it zunächst als Initiativenplattform zur Unterstützung von Volksbegehren und Volksentscheiden gegründet. Die Sammlung rechtsverbindlicher Unterschriften soll mit digitalen Mitteln im größeren Stil erleichtert werden, da aktuell nur handschriftliche Unterschriften rechtlich gültig sind. Dazu stehen Unterschriftslisten der Volksinitiativen auf der Plattform zu Verfügung, die heruntergeladen, ausgefüllt und an innn.it zurückgesendet werden können. Auch setzt innn.it sich im Rahmen der Initiative „Demokratie für Alle“ dafür ein, dass zukünftig auch eine digitale Eintragungsmöglichkeit für Volksinitiativen und -begehren rechtlich möglich ist.

„Petitionen dienen der Politisierung der Gesellschaft und bieten so einen Mehrwert für die Demokratie.“

Zusammenfassend hielt Nora fest, dass Petitionen schon lange ein wichtiges und wirksames Mittel in der demokratischen Gesellschaft sind. Sie mobilisieren und versammeln Menschen hinter einer Forderung und erzeugen so einen politisch wirksamen Handlungsdruck. Außerdem hängen Petitionen und Wahlbeteiligung bzw. politisches Engagement zusammen. Wer an Petitionen teilnimmt, geht auch wählen oder beteiligt sich an anderen Formen des politischen Engagements.

In der anschließenden Diskussion kamen verschiedene Fragen auf, unter anderem, nach welchen Kriterien Petitionen auf der Plattform innn.it veröffentlicht werden, ob es Gruppen gibt, die von Petitionen besonders angesprochen werden (Stichwort Powernutzer:innen) und wie Fake News und Desinformation bei Petitionen verhindert werden können. In ihrer Antwort erklärte Nora, dass es grundsätzlich keine Einschränkungen für Petitionen auf innn.it gäbe, aber dass Petitionen, die gegen Community-Richtlinien verstoßen würden und beispielsweise Desinformation oder Fake News beinhalten oder Verstöße gegen demokratische Grundrechte und Menschenrechte darstellen, nicht zulässig sind. Powernutzer:innen sind auf innn.it sehr aktiv – dies seien insbesondere Menschen, die schon mindestens eine Petition unterschrieben haben und über den Newsletter von neuen Petitionen erfahren und diese unterstützen.

Wir bedanken uns bei Nora für den spannenden Input und bei allen Teilnehmenden fürs Zuhören und Mitdiskutieren!

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