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Liquid Democracy: Theory & Vision | article

Was ist Online-Beteiligung?

Wir erklären, was man unter „Online-Beteiligung“ versteht und was ihr Verhältnis zu Sozialen Netzwerken und dem digitalen Aktivismus ist.
Auf der Illustration ist in einem Laptopbildschrim der Schatten einer Person zu sehen, die in ein Megafon spricht.
Was ist Online-Beteiligung?

Unter Online-Beteiligung oder Online-Partizipation versteht man Diskussions- und Entscheidungsprozesse, die darauf ausgerichtet sind, dass Bürger:innen politische Entscheidungen mittels digitaler Plattformen beeinflussen können.

Online-Beteiligung kann also als Überbegriff für verschiedene Ideen wie beispielsweise Liquid Democracy, E-Voting und digitale Bürger:innendialoge verstanden werden. Es gibt viele verschiedene Plattformen und digitale Werkzeuge, mit denen Online-Beteiligung umgesetzt werden kann. Nach der Einordnung des Politikwissenschaftlers Norbert Kersting legt eine Gruppe von Plattformen den Schwerpunkt darauf, den diskursiven Austausch und die demokratische Meinungsbildung digital abzubilden (Deliberation). Diese Plattformen versuchen, einen direkten, sachlichen Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürger:innen digital zu ermöglichen. Andere digitale Werkzeuge wollen vor allem die Entscheidungsfindung digital ermöglichen (direktdemokratische Abstimmungen und Wahlen) (vgl. Kersting 2019: 111 f.). Außerdem unterscheiden sich die verschiedenen Varianten nach ihrer Nähe zur repräsentativen Demokratie (vgl. Kersting ebd.). Am einen Ende dieses Spektrums befinden sich Verfahren, die einen Fokus auf demonstrative Partizipation legen, wie z.B. Online-Karten von Kommunen, auf denen Mängel und Probleme in der Stadt gesammelt werden (Mängelmelder). Am anderen Ende dieses Spektrums befinden sich Online-Wahlen, die versuchen das Kernelement der repräsentativen Demokratie, die demokratische Wahl, digital abzubilden. Online-Beteiligung kann außerdem je nach Art und Ziel des Verfahrens von Bürger:innen initiiert werden (bottom-up) oder von Organisationen mit (politischer) Entscheidungsmacht gestartet

Online-Beteiligung und Soziale Netzwerke

Theoretisch könnten Dienste wie Twitter, Facebook und Instagram für deliberative Online-Partizipation verwendet werden. Die Funktionen dieser Netzwerke bieten auf den ersten Blick vieles von dem, was man für Online-Diskussionen benötigt. Social Networks aber haben sich in der Praxis in den letzten Jahren als sehr gefährlich für politische Diskussionen herausgestellt, da sie nicht für ausgewogene und sichere Debatten konzipiert wurden. Eine Studie unter Internetnutzer:innen in den USA ergab 2016, dass ein Drittel von ihnen aus Angst vor Anfeindungen oder gar Hass keine Kommentare im Internet liest oder sich nicht an Online-Diskussionen beteiligt (Stroud et. al 2016). Bereits seit Beginn der 2000er entwickeln deshalb verschiedene Initiativen und Unternehmen Ideen und digitale Plattformen, die speziell für eine inklusive und sachliche Online-Beteiligung gedacht sind, darunter zum Beispiel Adhocracy des Liquid Democracy e.V., die Petitionsplattform openPetition, oder das Projekt Consul der Consul Foundation. Der Unterschied dieser Softwarelösungen zu Social Networks ist nicht nur, dass sie meist einen frei zugänglichen Quellcode haben (Open Source). Auch das Design und die Funktionen sind darauf ausgelegt, einen sachlichen, zielgerichteten Online-Dialog zu ermöglichen. Soziale Netzwerke dagegen legen ihren Fokus drauf, dass Nutzer:innen möglichst viel ihrer Zeit dort verbringen und möglichst viel persönliche Daten preisgeben.

Online-Beteiligung und digitaler Aktivismus

Oft wird keine Unterscheidung zwischen Hashtag-Kampagnen auf Twitter und Online-Beteiligung gemacht und beide werden nach mancher Definition zum „digitalen Aktivismus“ gezählt (vgl. Fielitz/Staemmler 2002: 427 f.). Auch in der bereits erwähnten Einordnung von Kersting (vgl. Kersting 2019) sind Soziale Netzwerke als ein Weg der Online-Partizipation aufgeführt. Der Fokus von Online-Beteiligung liegt jedoch auf einer konkreten politischen Fragestellung, die durch eine Diskussion oder eine Abstimmung beantwortet werden soll. Meist ist deliberative Online-Beteiligung außerdem speziell auf den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürger:innen ausgelegt. Aktivismus im Netz dagegen versucht, besonders viele Menschen auf ein politisches Problem aufmerksam zu machen und damit Sichtbarkeit und Druck auf politische Entscheidungsträger:innen aufzubauen. Der Schwerpunkt liegt also nicht auf einem Dialog zwischen Politik und Bürger:innen. Deshalb kann auch eine Kombination von digitalem Aktivismus und Online-Partizipation sinnvoll sein. Zum Beispiel können Hashtag-Kampagnen auf Twitter auch genutzt werden, um die Öffentlichkeit auf eine laufende Online-Beteiligung aufmerksam zu machen. Außerdem geht digitaler Aktivismus immer von der (organisierten) Zivilgesellschaft aus, während Online-Beteiligung sowohl bottom-up von der Zivilgesellschaft als auch top-down von Politik und Verwaltung initiiert wird.

Stand des Artikels: 8.12.2021

Quellen und Literatur

Fielitz, Maik, und Daniel Staemmler (2020): Hashtags, Tweets, Protest? Varianten des digitalen Aktivismus. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 33 (2), S. 425–41. Online: https://doi.org/10.1515/fjsb-2020-0037 (Zugriff: 5.12.2021)

Kersting, Norbert (2019): Online Partizipation: Evaluation und Entwicklung – Status Quo und Zukunft. In: Hofmann/Kersting/Ritzi/Schünemann (Hg.): Politik in der digitalen Gesellschaft. Bielefeld, S. 105–122.

Stroud, Natalie Jomini et al. (2016): News commenters and news comment readers. In: Engaging News Project. Online: Link zum PDF (Zugriff: 20.11.2021)

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