March 8, 2023

„Am liebsten finden wir Bugs“

Zum internationalen Frauentag teilen Katharina und Rine aus unserem Team die schönsten Erfahrungen aus ihrem Arbeitsalltag als Software-Entwicklerinnen. Im Interview sprechen die beiden über den Weg in die IT, die Schnittstelle zwischen Technik und Demokratie und die Diversität in der Techbranche.

Auf dem Bild sind Rine und Katharina jeweils vor ihren Laptops an einem großen weißen Tisch im Büro zu sehen. Im linken unteren Eck sieht man ein paar Pflanzenblätter, die verschwommen sind.

Was waren eure persönlichen Beweggründe, in den Bereich Software-Entwicklung zu gehen?

Katharina: Mein Pfad dort hin war etwas verschlungen: nach dem Abi habe ich Bioinformatik studiert, weil ich Biologie sehr mochte und Mathe mir lag. Nach der Masterarbeit in C++ (einer objektorientierten Programmiersprache) dachte ich erst, dass Entwickeln eher nicht so mein Ding ist. Nach einer Weile als Laborantin in einem Biotech-Betrieb kam ich über das Skripten in Python aber zurück zum Programmieren. Auf der euroPython 2014 habe ich bemerkt, dass andere Menschen, die das gleiche machen wie ich (Daten von Webseiten kratzen), sich deshalb als Entwickler:innen bezeichnen. Dort habe ich über die Django Girls auch Django kennengelernt und fand Webentwickeln gleich so toll, dass ich das dann verfolgt habe. Jetzt bin ich Webentwicklerin.

Rine: Ich hatte schon immer Spaß an logischen Dingen, in der Schule war Mathe mein Lieblingsfach. Ich habe aber erstmal Bioinformatik studiert, weil ich irgendwie dachte, Mathe sei zu schwer. Dann habe ich aber schnell gemerkt, dass das nicht das Richtige ist und bin am Ende doch zu Mathe gewechselt. Das Mathe Studium hat mir auch viel Spaß gemacht, aber ich hatte danach dann doch Lust, etwas Angewandtes damit zu machen. Naja…und dann ist der Schritt von Mathe zum Programmieren auch nicht mehr weit gewesen.

Bei Liquid Democracy entwickelt ihr Plattformen für digitale Bürger:innenbeteiligung. Was hat euch an der Schnittstelle von Technik und Demokratie besonders gereizt und welche Chancen seht ihr in diesem Bereich?

Katharina: Mir gefällt, dass wir nicht einfach relativ statische Webseiten machen, sondern dass wir stattdessen ziemlich komplex denken müssen, um die Beteiligungsprozesse befriedigend abbilden zu können. Als Chance sehe ich dabei das Zusammenspiel von On- und Offline und die Möglichkeit, mehr Menschen demokratische Teilhabe zu ermöglichen.

Auf dem Bild ist Rine lächelnd an ihrem Schreibtisch zu sehen. Vor ihr steht ein großer Monitor und eine Pflanze.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag von euch bei unserem Verein aus?

Rine: Morgens lese ich erstmal meine e-mails, dann haben wir um 10 Uhr immer ein Stand-up Meeting mit dem Scrum Team. Scrum ist eine Methode für agiles Projektmanagement, die häufig in der Software-Entwicklung angewendet wird und mit der wir auch bei Liquid Democracy arbeiten. In dem täglichen Meeting wird besprochen, welche Aufgaben sich jede:r für den Tag vorgenommen hat. Wenn es offene Fragen gibt, werden die auch geklärt. Danach arbeite ich entweder an einer User Story aus dem aktuellen Sprint (wir arbeiten mit festgelegten Zeiträumen von zwei Wochen), oder es liegen weitere Scrum-Meetings wie Sprint Planning oder Retro an.

Katharina: Bei mir läuft es meistens so ab: Ankommen, Kaffee machen, pull requests reviewen (also Code lesen, ausprobieren und wenn nötig Verbesserungsvorschläge schereiben), ins Standup-Meeting einwählen und/oder auf dem Scrum Board gucken, was zu tun ist und los legen. Los legen bedeutet nicht jeden Tag das gleiche, aber meistens heißt es natürlich neue Features für eine unserer Plattformen coden. An anderen Tagen kann es auch sein, dass wir ein Konzept erarbeiten, oder Updates anstehen.

Was macht ihr am liebsten in eurer täglichen Arbeit?

Katharina: Bugs, also Programmfehler, finden. Es kann sehr befriedigend sein, noch nicht zu wissen, wie man das Problem löst und dann heraus zu finden, was genau im Code schief läuft. Aber manchmal nervt es auch nur.

Rine: Tatsächlich ist das auch mein Liebstes: Bugs fixen! Manchmal ist es auch nur ein klitzekleine Stelle im Code, die aber alles schief laufen lässt und dann ist es, wie Katharina sagt, sehr befriedigend, diese Stelle zu finden. Danach ist alles ist wieder gut.

Auf dem Bild ist Katharina von schräg hinten an ihrem Schreibtisch zu sehen. Auf dem Bildschirm ihres Monitors und Laptops ist Code abgebildet. Sie tippt etwas in die Tastatur.

Der Frauenanteil in IT Berufen ist leider noch immer sehr gering, zuletzt lag er bei etwa 17 Prozent. Was meint ihr, wie kann die Branche in Zukunft mehr Frauen auf ihrem Weg in die Software-Entwicklung unterstützen?

Katharina: Ich denke, das Entwickeln müsste entmystifiziert werden. Weg von diesem Bild eines "Rockstarprogrammers", der die ganze Nacht allein am Computer sitzt, um die Welt zu retten, hin zu dem Teil, den ich mag und erlebe. Nämlich, dass das Entwickeln fast immer Teamarbeit ist. Und vielleicht wären so etwas wie „Open-Source-Stipendien“ auch toll. Wenn man sich Open-Source-Projekte auf github anschaut, sieht man, dass die meisten Entwickler:innen, die daran mitwirken, männlich sind. Das ist schade, weil man dort viel lernen kann und ja auch als Entwickler:in für potenzielle Arbeitergeber:innen sichtbar wird. Es ist aber schwer, das in seiner Freizeit zu machen, wenn man andere Verpflichtungen wie beispielsweise eine Familie hat.

Rine: Stimmt, dieses 'Hacker Bild' schreckt vielleicht ab. Und ist ja auch überhaupt nicht realistisch. Vielleicht wären (Schul-)Praktika speziell für Mädels eine gute Sache? Und es ist auch wichtig, das Vernetzen von Software-Entwicklerinnen untereinander zu fördern und mehr niedrigschwellige Workshops anzubieten, speziell für Frauen, die programmieren lernen möchten.

Daran anknüpfend: Was fühlt ihr in Bezug auf die Diversität in der Tech- und Entwickler:innenbranche?

Rine: Hier bei Liquid Democracy sind wir ja ziemlich divers und haben sogar mehr weibliche Entwicklerinnen, als männliche. Das ist aber natürlich eine Blase – in der restlichen Techbranche sieht es ja leider anders aus. Das ist sehr schade, weil viele Studien belegen, dass diverse Teams besser zusammenarbeiten und mehr Innovation ermöglichen. Außerdem sollten wir Diversität dabei nicht bloß in Bezug auf Gender, sondern vielmehr intersektional verstehen.

Und zum Schluss: Welche Tipps würdet ihr angehenden Software-Entwicklerinnen und besonders auch Quereinsteigerinnen mitgeben wollen?

Rine: Nicht einschüchtern lassen vom „Tech-Bla-Bla“ und einfach nachfragen und nachlesen, was es bedeutet. Meistens steckt gar nicht so viel dahinter, wenn man die Begriffe kennt.

Katharina: Mittlerweile gibt es einige coole Initiativen und Bootcamps, die den Einstieg ins Programmieren erleichtern. Auch, wenn man vorher in anderen Bereichen tätig war und keine Vorkenntnisse in der Software-Entwicklung hat, kann man Coding gut selbst erlernen und dann als Entwicklerin arbeiten. Quereinsteigerinnen haben sogar häufig sehr gute Chancen auf feste Jobs im IT-Bereich.