Vom 14.-16. Oktober fanden in Berlin die Webdays statt. 60 junge Erwachsene im Alter von 16 bis 21 Jahren diskutierten drei Tage zu Themen rund um digitalen Verbraucherschutz. Für Liquid Democracy hielt ich einen interaktiven Workshop zu digitaler Beteiligung. Eine Frage betrachtete dabei die Hürden Jugendlicher zur Teilnahme und Engagement in der Gesellschaft. Die drei wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Übung habe ich Ihnen mitgebracht und bin gespannt, ob Sie diese ebenso aufschlussreich finden wie ich.
Jan. 5, 2017
Ein Wow!-Workshop
25 junge Menschen - 60 Minuten Zeit - 1 großer Raum
Ein großer Raum, 25 junge Menschen, das Thema „Digitale Demokratie“ und eine Stunde Zeit: Eine optimale Ausgangslage für einen interaktiven und aufschlussreichen Workshop. Während der andere Teil der großen Gruppe Fragen rund um das Thema Cybermobbing diskutiert, befassen wir uns unter anderem mit den Hürden von Beteiligung.
Dazu notierten die Jugendlichen alles, was sie ganz persönlich von Engagement und Partizipation abhält. Sie erhielten dazu zehn Minuten Zeit, bunte Kärtchen und Stifte. Gleich im Anschluss besprachen wir in der großen Runde alle Argumente und sammelten sie auf dem Boden. Dabei diskutierten wir, was genau die auf den Karten notierten Punkte bedeuteten. Nach dem Workshop fotografierte ich alle Karten und schickte sie an Kira Schmahl, die Projektverantwortliche.
So weit so gut: Kommen wir zu den drei aufschlussreichsten Erkenntnissen dieser Übung.
Bekannte Hürden bleiben bekannte Hürden bleiben bekannte Hürden
Zeit, Geld, Wissen - Bekannte Hürden, die junge Menschen von politischem und gesellschaftlichem Engagement abhalten, bestehen nach wie vor. Subjektiv zumindest. Auch wenn sich hier durch verschiedene Initiativen in den vergangenen Jahren (sicher) einiges getan hat: In der Welt junger Menschen ist dies noch nicht genug. Hier muss noch bessere Arbeit geleistet werden. Ein starker Hinweis darauf ist der, dass diese Hürden mehrfach von den Workshop-Teilnehmenden genannt wurden. Und das unabhängig voneinander. Dies ist die erste Erkenntnis: Alte Hürden bestehen noch immer und da müssen wir ran, wenn wir junge Leute die Chance auf Beteiligung geben wollen.
Die Karawane zieht weiter: Diskriminierung, Gegenwind und das „warum jetzt?"
Auf einer Karte stand: „Ich engagiere mich nicht, weil (Ergänzung. d.Verfasserin) ….die älteren Mitbürger einen davon abhalten, weil man jung und naiv ist“.
Motivation ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Beteiligung, vor allem bei jungen Leuten. Kaum eine andere Zielgruppe verliert so schnell die Lust an der Sache. Und kaum eine andere Zielgruppe hat feinere Antennen, wenn es darum geht, ob sie für voll genommen wird und ob sich der Einsatz lohnt. Wenn junge Leute merken, dass sie, ihre Wünsche und Bedürfnisse, nicht für voll genommen werden, passiert nichts. Begegnung auf Augenhöhe heißt hier das Zauberwort. Junge Menschen aufgrund ihres Alters nicht zu beteiligen ist Diskriminierung. Wer eine negative Schlagzeile zum eigenen Beteiligungsprojekt vermeiden möchte, sollte dieses Argument meiner Ansicht nach nicht gelten lassen.
Eine andere Karte offenbart: „…..weil man von allen Gegenwind bekommt.“ Junge Menschen wollen es versuchen - solange bis sie selbst beschließen, dass die Grenzen erreicht sind. Wer allerdings erfährt, dass eine Idee im Keim erstickt, der überlegt beim nächsten Mal doppelt, etwas einzubringen. Unterstützung ist hier hilfreich: z.B. in Form von offenen Fragen, die motivieren und die Idee weiterbringen. Junge Menschen akzeptieren meiner Erfahrung nach freundlich vorgetragene und gut erklärte Sachargumente, auch wenn sie ihnen nicht passen.
Gerade erfahrene Menschen haben viel zu geben: Wenn es im richtigen Ton angeboten wird. Es geht darum mit ihnen zusammen den Rahmen abzustecken und die Möglichkeiten auszuloten. Es geht nicht darum junge, motivierte Menschen und deren Engagement im Keim zu ersticken.
Eine weitere Karte eröffnet knapp: „warum jetzt?“. Die Betonung liegt dabei auf „jetzt“. Der Teilnehmende erläutert, dass es um den konkreten Anlass gehe, sich genau jetzt und hier zu beteiligen. Oftmals erschließe sich nicht genau, warum es genau jetzt soweit sei.
Bei Beteiligungsprojekten erscheint es umso wichtiger, den Kontext des Vorhabens und der Entscheidung zu erläutern. Es geht um das Verständnis, um den konkreten Anlass, um das Warum. Gleichzeitig weist es auf das aktivierende Moment hin: Deine Idee zählt! Mach mit! Jetzt ist deine Zeit!
Hier lohnt es sich um Beteiligung zu werben, sie zu verkaufen und anzupreisen. Einfach ein Beteiligungsprojekt anbieten und hoffen, dass sich junge Menschen beteiligen, funktioniert nicht. Erklärungen und Informationen müssen für junge Leute schnell zu erfassen sein, um ihr Interesse zu wecken.
Für mich waren diese Hürden neu und überraschend. Für Sie auch? Vielleicht ja, vielleicht nein, vielleicht beides.
In der digitalen Jugendbeteiligung stehen Hürden wie der technische Zugang und digitale Medienbildung vor allem im Vordergrund. Auch die Argumente von Geld, Zeit, nötigem Wissen gehören zum stetigen Forderungskanon und sind augenscheinlich nicht wirklich neu. Die jungen Menschen des Workshops bestätigen, dass hieran noch weiter gearbeitet werden muss. Diese Hindernisse haben ihr Verfallsdatum noch nicht erreicht. Ebenso kommen weitere Hindernisse hinzu. Und es stellt sich die Frage: Wie viele Hindernisse können junge Menschen darüber hinaus benennen? Welche, an die noch keiner von uns gedacht hat.
All dies gehört für mich zur zweiten Erkenntnis dieses Workshops.
Beteiligen ist einfach - Wirkung erzielen ist schwer
Mitmachen um des Mitmachens Willen, dafür sind junge Menschen nicht zu motivieren. Es ist die erzielte Wirkung, die im Fokus steht. Im Wortlaut einer Karte aus dem Workshop heißt es: "Meiner Meinung nach gibt es immer eine Möglichkeit zur Partizipation, nur lässt sich nicht immer viel erreichen“. Ein anderer Teilnehmender formuliert: "Beteiligen ist (relativ) einfach, etwas zu bewirken oft schwer“.
Dazu zwei Gedankengänge:
Erstens: Ja, das stimmt. Es gibt Beteiligungsprojekte, da steht Beteiligung drauf, aber Wirkung, nein, die ist nicht vorgesehen. Eine Mogelpackung, mal gewollt, mal unbeabsichtigt. Solche zu entlarven ist nicht immer ganz einfach. Die Motivation von jungen Menschen, sich daran zu beteiligen fördern sie nicht. Junge Menschen müssen wissen, was sie erwarten können. Nur dadurch erkennen sie die für sie persönlich relevanten Beteiligungsprojekte und können ihre Ideen zielgerichtet einbringen. Jede/r profitiert: Gute Ideen finden ihren Weg und Projekte verlaufen erfolgreicher.
Zweitens: Nein, das stimmt nicht. Wirkung findet statt, nur diese auf einen einzelnen Input oder die einzelne Idee zuzuordnen, ist sehr schwer. Ebenso häufig verzichten Organisator*innen von Beteiligungsprojekten darauf, die weiteren Entwicklungen und die Ergebnisse ansprechend zu kommunizieren. Doch im Sinne einer erfolgreichen Beteiligung gehört beides unbedingt dazu. In Zukunft werden wir hier noch stärker daran arbeiten müssen. Denn vielleicht tragen genau solche Versäumnisse zur aktuellen Vertrauenskrise in die Politik bei.
Jungen Leuten ist der Unterschied zwischen Beteiligung und Wirkung sehr klar und sie benennen ihn auch genauso deutlich. Dies stellt für mich die dritte Erkenntnis dieses Workshops dar. Ebenso finde ich es erfreulich und alarmierend zugleich: „Yea“, weil junge Menschen Erwartungen formulieren und Wirkung einfordern. „Nay“, weil sich große Frustration schon bei der jungen Generation ausbreitet, wenn hier nicht dran gearbeitet wird.
Abspann
Zehn Teilnehmende der WebDays nahmen am IT-Gipfel der Bundesregierung teil, der am 16./17. November in Saarbrücken stattfand. Dabei erläuterten sie in einer hochkarätigen Podiumsdiskussion ihre Forderungen, die sie im Rahmen der WebDays erarbeitet hatten. Ebenso übergaben sie diese an Arbeitsministerin Andrea Nahles, Bildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka und Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Lesen Sie dazu hier weiter.
Mehr zum gesamten Projekt und den Ergebnissen der WebDays finden Sie hier.