Mit dieser Frage startete der vierte Liquid Tank im Lunch-Format vergangene Woche. 32 Teilnehmer:innen sind gekommen, um Yolanda Rother zuzuhören und ihre Fragen zu stellen. Yolanda ist Kuratorin, Moderatorin und Community Activator, und arbeitete unter anderem für die re:publica. Als Speakerin beschäftigt sie sich insbesondere mit Themen Inklusion, Dekolonialisierung und der digitalen Transformation. In ihrem Vortrag vermittelte sie den Teilnehmer:innen die Dimensionen des Online-Rassismus und erörterte, wann und wo er im Netz auftritt. Den gesamten Vortrag haben wir für dich hier zum Nachhören aufgezeichnet. Anschließend waren alle Teilnehmer:innen dazu eingeladen, Fragen zu stellen und ihre Strategien des Anti-Rassismus auf Plattformen wie Twitter und Facebook mit der Runde zu teilen.
Sept. 1, 2020
Liquid Tank #4: Der digitale Raum – ein Ort für anti-rassistischen Diskurs?
Respekt-Button statt Wut-Emoji
Im Schnitt ist „Love“ die häufigste Reaktion auf Facebook. Hingegen mobilisiert insbesondere die AfD mit ihren Beiträgen das Wut-Emoji mit Abstand am häufigsten – womit sie den „Empörungswettbewerb“ auf der Plattform gehörig anheizt. Demnach profitiert neben der Plattform selber der Rechtspopulismus von erhitzten Debatten am stärksten - Wut als Erfolgsstrategie für mehr Aufmerksamkeit eben. Ein Teilnehmer äußerte einen Vorschlag, um dem entgegenzuwirken: Den Respekt-Button. Dieser könnte parallel zu den Buttons „Like“, „Love“ und „Anger“ eingeführt werden oder diese sogar ersetzen, und somit mehr Aufmerksamkeit auf respektvolle und beachtenswerte Beiträge lenken. Der Wut-Button sei schließlich kontraproduktiv für konstruktive Online-Diskussionen. Dem entgegnete eine andere Teilnehmerin, dass wertebasierte Diskussionen im Internet zwar wünschenswert seien, aufgrund der Beschaffenheit der Plattformen mit der Realität allerdings wenig zu tun hätten (#Plattformökonomie #Aufmerksamkeit). Vielmehr komme es darauf an, Alternativen zu fördern und den großen Tech-Konzernen eigene Plattformen entgegenzusetzen. Wir verstehen das als einen Call-to-Action für mehr freie Software!
Darüber hinaus sprach sich Yolanda für die Notwendigkeit aus, dass Netz zu regulieren. Ein ambivalentes Vorbild stelle Twitter dar, dort wird gezielt durch das Verbot von politischer Werbung Fake News entgegengewirkt. Doch auch eine Regulierung alleine wird es wohl kaum richten können. Für Yolanda braucht es folglich beides: Eine Regulierung von Plattformen und eine Regulierung von Nutzer:innen, wie zum Beispiel mittels einer strikten Netiquette – also eindeutige Verhaltensregeln, die durch eine aufmerksame Moderation durchgesetzt werden. Rassistische Beiträge könnten so gemeldet oder gelöscht werden, sodass sie nicht in den Online-Diskurs geschwemmt werden.
Moritz von Liquid Democracy betonte an dieser Stelle die Wichtigkeit von kleinen Erfolgen, wie das Verbot von politischer Werbung auf Twitter, das schließlich erst auf zivilgesellschaftlichem Druck hin eingeführt wurde. Der Twitter-Algorithmus konnte somit verbessert werden. Durch kleine Veränderungen wie diese kann das Netz Schritt für Schritt anti-rassistischer werden, es ist allerdings ein langer Weg. Lasst uns also für einen Respekt-Button auf Social-Media Plattformen kämpfen!
Wie kann ich persönlich Rassismus bekämpfen?
Anstatt sich auf Tech-Konzerne und ihre digitale Infrastruktur zu verlassen, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie sich jede:r Einzelne:r gegen Rassismus online und offline einsetzen kann. Rassismus gibt es nämlich natürlich nicht nur in Kommentarspalten. Für Yolanda bieten die 20 Empfehlungen von Zeit Campus einen guten Start in die Thematik. Empfehlung Nr. 5 lautet:
„Deine Freunde oder Verwandte machen rassistische Bemerkungen oder sie posten rassistische Inhalte? Du kannst dich ausloggen, andere können es nicht. Überlasse deshalb die Reaktion nicht jenen, die sich ständig damit herumschlagen müssen. Sich immer wehren zu müssen, ist sehr anstrengend.“
Darüber hinaus lassen sich durch selbstständiges Lernen gängige rassistische Denkmuster hinterfragen. „Das NETTZ“ hat dafür 10 Punkte zum Systemwandel und sehr aufschlussreiches Material gegen Hatespeech zur Verfügung gestellt. Das Buch „exit Racism“ von Tupoka Ogette bietet einen gelungenen Einstieg rassismuskritischer zu werden. Denn wenn jede:r anfangen würde, seine eigenen Vorurteile zu hinterfragen, wären wir schon einen großen Schritt weiter. Hier kannst du deine eigenen Vorurteile testen. Sehr umfassende Listen mit Ressourcen zu rassismuskritischem Denken und Antirassismus findet Ihr auch hier und hier.
Ansätze und Strategien für weniger Rassismus im Internet existieren bereits, sie müssen nur gelernt und erprobt werden. Individuell kann jede:r sich ganz bewusst damit beschäftigen, den persönlichen Standpunkt zu reflektieren. Und wenn es dann auch noch eine gut ausgearbeitete Netiquette gibt, steht einer konstruktiven Online-Diskussion nichts mehr im Wege!
Wir freuen uns sehr, dass ihr alle so zahlreich zu unserem Liquid Tank erschienen seid. Es hat uns eine große Freude bereitet, dass ihr eure Fragen und Anregungen mit uns in eurer kostenbaren Mittagspause geteilt habt. Im November veranstalten wir unseren nächsten Liquid Tank. Auf dem neusten Stand zu unseren Events sowie wichtigen Beiträgen der Digitalen Demokratie, bleibt ihr am besten mit unserem Newsletter.
"Liquid…what?"
Der Liquid Tank ist ein Format des Liquid Democracy, das den Austausch über die Themen Demokratie und E-Partizipation ermöglichen soll. Fluide und flexibel, in unterschiedlichen Konstellationen und mit viel Raum zum Ausprobieren. Dazu laden wir Personen ein, die von ihren Projekten, ihren Ideen und / oder ihren Visionen erzählen. Im Anschluss reflektieren wir in einem informellen Gespräch gemeinsam über die Potentiale dieser Idee im Kontext der e-Democracy. Du hast Lust, dich oder dein Projekt bei einem Liquid Tank vorzustellen? Dann melde dich bei Amelie oder Luca!