7. Juni 2019

Liquid Tank - Kai Gärtner stellt uns DECiDe vor

#Partizipation #RandomSampling #Vision. Etwas ungewohnt, aber genauso schmissig und ein wenig holprig haben wir uns bei unserem ersten öffentlichen Liquid Tank am 15. Mai einander vorgestellt – jede*r mit drei Hashtags. Und damit war die Bühne bereitet für einen spannenden Austausch über DECiDe, einem Projekt der Forschungsgruppe Globaler Konstitutionalismus und das Internet am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Kai Gärtner ist Leiter des Projekts “DECiDe- Digital identity, European Citizenship and the Future of Democracy”, und kam vorbei, um uns zu erklären, worum es da geht, und mit uns gemeinsam über die Möglichkeiten und Herausforderungen zu philosophieren…

Kai Gärtner beim Liquid Tank am 15. Mai 2019, CC-BY-SA 3.0

Was genau entwickelst du da eigentlich, Kai?

In dem Projekt geht es darum, einen technischen Prototyp zu entwickeln, der digitale Abstimmungen mit Random Sample Voting kombiniert. Voraussetzung dafür ist ein Pool von digitalen Identitäten, die dann bei unterschiedlichsten Fragen zufällig ausgewählt werden könnten, um abzustimmen. Durch das random sampling könnte man eine repräsentative Gruppe über bestimmte Fragen abstimmen lassen, damit nicht ständig alle abstimmen müssen. Die Schweiz mit ihren vielen Volksentscheiden zeigt uns schließlich, dass es zu einer gewissen Wahlmüdigkeit kommen kann. Das könnte man mit DECiDe vermeiden. Die Hoffnung wäre, dass man sich durch die zufällige Auswahl motiviert fühlt, sich zu informieren und wirklich abzustimmen.

Klingt etwas kompliziert, ist es auch. Und das macht es so verdammt spannend, besonders, weil Kai über die technischen Fragen hinaus eine Vision hat. DECiDe könnte eine ganz neue Methode sein, Demokratie digital zu leben und die Teilhabe der Einzelnen zu verändern. Er betonte allerdings, dass das Projektteam momentan von der Frage angetrieben wird „Können wir so ein Tool überhaupt bauen?“. Es steht also momentan die technische Umsetzung im Vordergrund. Das hielt uns natürlich nicht davon ab, nachzuhaken und nachzubohren, um zu verstehen, was die langfristigen Ziele sein könnten. 

Besucher*innen beim Liquid Tank am 15. Mai 2019, CC–BY–SA 3.0

Eine Vision für die europäische Demokratie 

Kai nennt es selber einen „Moonshot“. Vieles wäre möglich, die Ziele sind hoch gesteckt, aber momentan ist das Projekt einfach noch zu klein. Heutzutage haben wir einen riesigen Pool an Menschen mit einer digitalen Identität, man schaue sich alleine die neuen Personalausweise an. Das müsste doch die perfekten Voraussetzungen liefern für digitale Bürger*innenbeteiligung auf der einen Seite, und Services für Bürger*innen auf der anderen. Die Zielgruppe für diese App wäre also in einem ersten Schritt die Kommunen; irgendwann wären Abstimmungen dieser Art vielleicht auch europaweit möglich. Die Bürger*innendienste könnten helfen, dass sich viele „digitale Bürger*innen“ anmelden und verifizieren lassen, damit es genug Menschen im System gibt, um durch zufallsbasierte Auswahl eine repräsentative Anzahl von Bürger*innen zu befragen. 

Ein klarer Anwendungsbereich ist also noch nicht in Sicht, mit Fragen weit voraus geprescht sind wir trotzdem. Würde man die App wirklich für verbindliche Abstimmungen nutzen? Fehlt dann nicht die Legitimität? Auch aus juristischer Perspektive müsste die Frage beleuchtet werden, inwiefern Zufall und demokratische Entscheidungen zusammengebracht werden können. Wäre DECiDe vielleicht eher eine gute Möglichkeit für konsultative Abstimmungen? Wie kann man die Abstimmung mit einem Deliberationsprozess vereinen? Und wer hat die Kontrolle über das System, was passiert mit den Daten, wieso sollten Nutzer*innen dem Dienst vertrauen? So wichtig diese Fragen auch sind, ohne klaren Anwendungsbereich, ohne zu wissen, wer die Fragen stellen wird und in welchem Rahmen, sind alle Antworten reine Spekulationen. Wir dürfen also gespannt bleiben, zu verfolgen, wo sich DECiDe in der nächsten Zeit hin entwickeln wird. Vielen Dank, dass du da warst Kai!


Wir freuen uns auch sehr, dass ihr alle so zahlreich zu unserem Liquid Tank erschienen seid. Der informelle Austausch, der in diesem Rahmen möglich war, hat euch hoffentlich mit ähnlich vielen frischen Anregungen nach Hause gehen lassen wie uns. Stay tuned für unseren nächsten Liquid Tank! Zum Bespiel indem du unseren Newsletter abonnierst (smooth, oder?), dafür immer hier entlang.