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Liquid Democracy: Theorie & Vision | Artikel - 22. August 2022

Wie kann Partizipation in eurer Organisation gelingen?

Partizipation nach innen. Wie ihr Entscheidungen demokratisch im Team treffen könnt.
Die Illustration zeigt ein 3-D Kuchendiagramm mit 3 verschiedenen Bereichen vor rosafarbenem Hintergrund.

Partizipation erfordert den Willen und Einsatz von oben: Wenn die Beteiligung innerhalb einer Organisation für alle funktionieren soll, muss die Leitung bereit sein, die Meinungen der Team-Mitglieder ernst zu nehmen. Ein häufiges Problem ist dabei die Frage, wie ein Team eine Entscheidung treffen kann, sodass alle das Ergebnis akzeptieren können und das Gefühl haben, mitbestimmt zu haben. Bei dem Liquid Democacy e.V. sind wir überzeugt von partizipativen Strukturen und entscheiden möglichst viel gemeinschaftlich als Team. Dazu nutzen wir vor allem die von uns entwickelte freie Beteiligungsplattform adhocracy+. Ganz nach dem Prinzip: Eating your own dog food!

Im Gegensatz zur Partizipation nach innen meint die Partizipation nach außen – die meist unsere Arbeit bestimmt – die inhaltliche Arbeit mit der Öffentlichkeit im Sinne der politschen Partizipation. Diese beschreibt alle Handlungen, die das politische System direkt oder indirekt beeinflussen können. Der Fokus dieses Artikels liegt jedoch auf der Partizipation nach innen: Unser Ziel ist es, zu erörtern, wie demokratische Strukturen innerhalb einer zivilgesellschaftlichen Organisation etabliert werden können. Der große Vorteil dieser Strukturen ist, dass Entscheidungen transparent und gerecht getroffen werden. Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen euch dabei helfen können, selbst partizipative Formate zu erproben und in eurer Organisation zu etablieren.

Partizipatives Agenda Setting fürs Plenum

Jeden Mittwoch kommen alle Mitglieder unseres Vereins zum Plenum zusammen. Im Vorhinein können kontinuierlich Vorschläge über unsere Beteiligungsplattform adhocracy+ eingereicht werden und die Mitglieder entscheiden dann gemeinsam, wie wichtig ihnen die einzelnen Punkte sind. Diese Vorschläge sind bereits vor dem Plenum sichtbar und können auch noch im Anschluss daran online kommentiert werden.

Während des Plenums via (hybrider) Videokonferenz werden die Themen in der Reihenfolge der Einreichung oder nach Priorität besprochen. Wichtige Themen sind somit sichtbarer und werden früher diskutiert. Mit Hilfe des Open-Source Tools Etherpad wird ein für alle sichtbares Protokoll geführt – und die Autor:innen können ihren Vorschlag direkt selbst vorstellen. Die Moderation nutzt dann unsere digitale "Ampel", um anhand eines Labels zu vermerken, ob der Beitrag umgesetzt, geprüft oder nicht umgesetzt ist.

Das Plenum ermöglicht somit eine aktive Teilhabe: Das Team gestaltet die Agenda wichtiger Vereinsthemen demokratisch mit. Diskussionen und Entscheidungen, die das gesamte Team betreffen, werden transparent organisiert und sind jederzeit online abrufbar.

Demokratisch ein Büro für alle schaffen

Die Anforderungen an die Gestaltung eines Büros haben sich innerhalb der letzten 2 Jahre, insbesondere aufgrund der COVID-19-Pandemie, stark verändert. Mehr Videokonferenzen und nicht vollbesetzte Büros bieten Möglichkeiten, ein neues Miteinander zu schaffen. Gemeinsam mit einer Designagentur hat unser Verein drei Vorschläge für die Umgestaltung unserer Büroräume basierend auf Wünschen des Teams erarbeitet, die für alle auf unserer internen Beteiligungssoftware adhocracy+ zur Diskussion standen. So konnten alle Team-Mitglieder selbst mitentscheiden und ihre individuellen Bedürfnisse einbringen, um sich bei der Arbeit wohlzufühlen.

Zu sehen ist ein Screenshot von unserem Beteiligungsprojekt für die Neugestaltung unseres Büros auf adhocracy+. Zu sehen ist eine Umfrage.
Beteiligungsprojekt für die Neugestaltung unseres Büros. Zu sehen ist eine Umfrage.

In einem ersten Schritt wurden dafür in einer Umfrage die Präferenzen aller Mitglieder abgefragt und es konnten neue Ideen eingereicht werden, die in den drei Vorschlägen noch nicht berücksichtigt wurden. Die Akustik der Räume sowie die flexible Nutzung von Arbeitsplätzen waren dabei besonders wichtig. Nachdem die Abstimmung einen klaren Favoriten bestimmte, folgte eine mehrwöchige Testphase, in der das Büro entsprechend umgestellt wurde.

In einem zweiten Schritt wurde dann nach Ablauf dieser Probezeit Feedback zu dem Testlauf gesammelt. Parallel dazu konnten neue Ideen für Anpassungen an der favorisierten Variante eingereicht werden. Das Beteiligungsprojekt für unser Büro wird regelmäßig im Plenum (siehe vorheriger Abschnitt) aufgegriffen und diskutiert. So können wir dafür sorgen, dass alle Bedürfnisse gehört und am Ende bei der Umgestaltung berücksichtigt werden. Denn eine partizipative Kultur funktioniert dann am besten, wenn sie von allen mitgestaltet und getragen wird.

Gemeinsam eine Strategie entwickeln

Auch in unseren Strategieprozessen erproben wir verschiedene partizipative Formate und befinden uns in einem iterativen Prozess des Lernens. Die Verantwortung dafür liegt bei unserem Vereinsvorstand. Zuletzt haben wir einen zweitägigen Workshop mit allen Mitgliedern organisiert, um unsere langfristigen Ziele zu definieren und eine Strategie zu erarbeiten. Anschließend ging die Arbeit in selbstorganisierte Teams über, die durch regelmäßige Reviews (Überprüfung) in unserem Plenum ihre Fortschritte präsentierten. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass alle an einem Strang ziehen und wir gemeinsam an den richtigen Stellschrauben drehen. Nach dem Review-Prozess öffnete ein retrospektiver Workshop den Raum für eine Reflektion über die gemachten Schritte. Unser größtes Learning aus der Strategieentwicklung: Die Teilhabe aller Mitglieder an der Vereinsstrategie stärkt nicht nur die Identifikation, sondern macht die Zielsetzung noch demokratischer!

Ein weiteres gutes Beispiel für eine offene und partizipative Strategieentwicklung bietet euch auch der transnationale Zukunftsprozess der Bewegung Wikimedia. Hier könnt ihr den Vortrag „In Bewegung bleiben: Wie man eine globale, offene, und partizipative Strategieentwicklung navigiert – und überlebt.“ von Nicole Ebber, Leiterin Movement Strategy & Global Relations, auf der re:publica 2022 ansehen.

Partizipation als Prozess begreifen

Eine partizipative Organisationskultur muss von ihren Mitgliedern gelebt werden. Wir beim Liquid Democracy e.V. versuchen unserer eigenen Vision einer demokratischen Kultur, in der Mitgestaltung für jede:n selbstverständlich ist, soweit es geht gerecht zu werden. Sicherlich machen wir nicht immer alles perfekt. Vielmehr geht es uns darum, Partizipation als ganzheitlichen Prozess zu begreifen und dabei lernfähig zu bleiben und mit neuen Formaten zu experimentieren. Wir sind uns darüber bewusst, dass nicht jedes Tool für jede Organisation gleichermaßen geeignet ist. Deshalb ist und bleibt Partizipation ein sich wandelnder Lernprozess.



Wenn ihr Lust habt, die Beteiligungsplattform adhocracy+ für Prozesse innerhalb eurer Organisation zu nutzen, könnt ihr sie hier testen: https://adhocracy.plus/test/ oder uns eine Nachricht schreiben und einen eigenen Zugang registrieren: https://adhocracy.plus/info/start/


Stand des Artikels: 22.08.2022

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