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Liquid Democracy: Theorie & Vision | Artikel - 14. Februar 2022

Die 4 Stufen der Online-Beteiligung

Ein theoretischer Blick in die Praxis

Will man verstehen und analysieren, wie die Stimme der Öffentlichkeit in einen politischen Gestaltungsprozess einbezogen wird, helfen die vier Beteiligungsstufen als theoretisches Gerüst. Der Grad der Einflussnahme auf eine Entscheidung reicht von keiner Einbindung (kein Einfluss) bis zur alleinigen Entscheidung der Öffentlichkeit (volle Entscheidungsmacht).

Die Illustration zeigt 4 verschieden große weiße Zylinder vor einem grünen Hintergrund.

Online-Beteiligung (und auch die Öffentlichkeitsbeteiligung allgemein) beruht auf der Überzeugung, dass diejenigen, die von einer Entscheidung betroffen sind, ein Recht darauf haben, in den Entscheidungsprozess einbezogen zu werden (Wirtz et al. 2018). Bürger:innen können politische Entscheidungen mittels digitaler Plattformen beeinflussen (Hier findet ihr eine ausführliche Definition).

Die Initiator:innen einer Online-Beteiligung legen im Vorhinein den Grad der Einflussnahme der Öffentlichkeit auf die Entscheidung fest, also top-down. Wie weit dieser Einfluss reicht, variiert in der Praxis sehr stark. In Anlehnung an (IAP2 2018) und (Lüttringhausen 2000) existieren vier Stufen der Beteiligung: Information, Konsultation, Kooperation, Entscheidung.


Information

Interessierte werden eingeladen, sich über ein geplantes Vorhaben zu informieren. Bei dieser Beteiligungsstufe nehmen die Teilnehmenden eine passive Empfängerrolle ein. Gleichzeitig stellt diese eine notwendige Grundlage für Beteiligung und für weitere Stufen dar. Nur wenn Menschen umfassend informiert werden, kann eine Meinungsbildung stattfinden. Gibt es keinen Entscheidungsspielraum, kann die Beteiligung ausschließlich auf der Stufe der Information stattfinden (SenBauStadtWohn 2020: 51).

Ein Informationsprozess kann jedoch zu Widerständen führen, wenn die Verantwortlichen nicht transparent mit entscheidungsrelevanten Informationen umgehen. Die Bereitstellung von Information ist gut und legitim, aber insbesondere bei sehr kontroversen Themen kann stärkere Beteiligung eingefordert werden.

Ein schönes Beispiel für die Informationsstufe ist die Übersichtskarte der Bebauungspläne in Berlin. Auch die Projektübersicht der landesweiten Beteiligungsplattform mein.Berlin.de macht alle online und offline Beteiligungsformate zugänglich. So können sich Einwohner:innen über Bauvorhaben in ihrer Stadt informieren.


Konsultation

Können beteiligte Akteure Informationen nicht nur einsehen, sondern auch aktiv ihre Meinungen und Präferenzen zu vorgelegten Vorschlägen einbringen, handelt es sich um die zweite Stufe der Beteiligung - die Konsultation. Beteiligte können nicht über vorgegebene Inhalte mitbestimmen und es findet auch keine Übertragung von Entscheidungskompetenz statt. Das Ziel ist es vielmehr öffentliches Feedback zu Analysen und Varianten einzuholen (IAP2 2018). Die Initiator:innen nutzen die gewonnenen Informationen und lassen sie in die finale Entscheidung - die durch den Prozess verbessert werden kann - einfließen. Digitale Beteiligungsplattform haben den großen Vorteil, dass sich Teilnehmende mittels Bewertungen und Kommentaren niedrigschwellig einbringen und unkompliziert Feedback von Seiten der Initiator:innen erhalten können.

Konsultationsprozesse können dann unproduktiv werden, wenn sie zwar aufwendig gestaltet werden, aber wenig Einfluss auf die tatsächliche Entscheidung haben. Das Vertrauen der Beteiligten kann somit unterwandert und perspektivisch geschwächt werden.

Ein gutes Beispiel für die Konsultation kommt aus der Gemeinde Panketal, Neue Grundschule Elbestraße. Hier können Bürger:innen ihre Meinungen zu drei vorgegebenen Bauvarianten äußern und Einfluss auf das Ergebnis nehmen.

Die Illustration zeigt auf einem orangenen Hintergrun die 4 Stufen der Beteiligung.
Stufen der Beteiligung

Kooperation

Wird ein Teil der Entscheidungsmacht und Kontrolle an die Teilnehmenden einer Beteiligung abgegeben, lässt sich von der Stufe der Kooperation sprechen. Es findet eine Partnerschaft und ein Dialog auf Augenhöhe statt. Der intensive Austausch wird dadurch begleitet, dass Alternativen gemeinsam entwickelt und Ziele der Beteiligung ausverhandelt werden. Im Gegensatz zu der Stufe der Konsultation können Teilnehmende den Prozess selbst mitgestalten und werden mehr als nur punktuell einbezogen (BMKÖS 2020: 33). Der Grad an Mitgestaltung kann deshalb als hoch eingestuft werden. Digitale Beteiligungsplattformen bieten zahlreiche Vorteile für die Kooperation. Eine Zeitleiste kann einen gesamten und komplexen Beteiligungsprozess abbilden und für Transparenz in der Kooperation sorgen.

Problematisch wird die Kooperation dann, wenn Entscheider:innen den Teilnehmenden nicht die versprochenen Mitspracherechte innerhalb der Kooperation einräumen. Dann handelt es sich um keine Kooperation mehr und eine Aushandlung auf Augenhöhe findet nicht statt.

Ein gelungenes Beispiel für die Kooperation stellt die Stadt Lindau (B), Karl-Bever-Platz, dar. In einem mehrstufigen Prozess werden Bürger:innen der Stadt an der Entscheidung des Stadtrats beteiligt. Eine eigens dafür eingesetzte Beteiligungsgruppe begleitet den Prozess.


Entscheidung

Liegt die finale Entscheidung in den Händen der Öffentlichkeit, handelt es sich um die vierte Stufe der Beteiligung, die Entscheidung. Ganz nach dem Motto „Wir entscheiden was ihr möchtet“ (IAP2 2018) wird ein hohes Maß an Vertrauen in die Öffentlichkeit bzw. die Prozessbeteiligten vorausgesetzt. Der Grad der Entscheidungskompetenz kann dabei entweder teilweise ausgeprägt sein oder sogar ganz an die Teilnehmenden abgegeben werden. Die Stimmen von Vielen treffen und legitimieren schließlich eine Entscheidung. In der Praxis muss eine Entscheidung meist durch die Verwaltung geprüft werden, wie zum Beispiel bei einem Bürgerhaushalt.

Problematisch wird es, wenn die Teilnehmenden vor dem Hintergrund fehlender Ressourcen oder einem Mangel an zeitlichen und fachlichen Kapazitäten eine Entscheidung treffen. Während die vierte Beteiligungsstufe grundsätzlich erstrebenswert ist, muss sie nicht zwangsläufig die beste Wahl für die Prozessgestaltung sein. Vielmehr kommt es darauf an, dass richtige Beteiligungsmaß zu finden, die Teilnehmer:innen gut zu informieren und gemachte Versprechungen auch einzuhalten.

Ein gutes Beispiel für die Stufe Entscheidung stellt der Zukunftshaushalt der Stadt Werder (Havel) dar. Alle eingereichten Vorschläge wurden umfassend von der Verwaltung geprüft. Die Schüler:innen von neun Schulen priorisierten alle Ideen und entschieden sich für die zwölf Ideen, die letztlich umgesetzt wurden.

Die vier dargestellten Beteiligungsstufen stellen theoretisch die verschiedenen Einflussmöglichkeiten von Teilnehmenden auf einen Entscheidungsfindungsprozess dar. In der Praxis bauen die Stufen meist aufeinander auf und die Übergänge sind sehr häufig fließend. Wie die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (2020: 20) richtigerweise feststellt, sollte „die Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen [...] möglichst nicht auf die Stufe der Information, die als Basis jeder Beteiligung angesehen werden kann, beschränkt sein.“ Die Information stellt eine Grundlage dar, um Beteiligung mit mehr Einflussmöglichkeit einzufordern.

Ebenso wichtig ist es, dass sich Entscheidungsträger:innen über die Mitsprachekompetenz sowie die Tragweite der Beteiligung bewusst sind. Die Formulierung eines Beteiligungsversprechens ist dabei besonders hervorzuheben und wird in der Praxis häufig unterschätzt und vernachlässigt.

Stand des Artikels: 07.02.2022

Quellen

  • Bundesministerium Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS). (2020). Grünbuch: Partizipation im digitalen Zeitalter, 72.
  • IAP2 (International Association for Public Participation). (2018). Spectrum of Public Participation. Link. Zugegriffen: 5. Januar 2022
  • Lüttringhausen, M. (2000). Stadtentwicklung und Partizipation. Fallstudien aus Essen Katern­ berg und der Dresdner Äußeren Neustadt. Bonn: Stiftung Mitarbeit.
  • Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenBauStadtWohn). (2020). Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Projekten und Prozessen der räumlichen Stadtentwicklung.
  • Wirtz, B. W., Daiser, P., & Binkowska, B. (2018). E-participation: A Strategic Framework. International Journal of Public Administration, 41(1), 1–12. https://doi.org/10.1080/01900692.2016.1242620

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