Wann wird E-Voting unsere Demokratie modernisieren?
FoLD18, 17.05.2018
Estland wählt das nationale Parlament seit 2007 online, die Schweiz testet Online-Wahlen in 14 Kantonen seit Beginn der 2000er Jahre und zahlreiche Organisationen (z.B. Betriebsräte) setzen Online-Voting für interne Meinungsfindung oder Wahlen ein. Steht das E-Voting jetzt vor dem Durchbruch in Deutschland und Europa?
Online-Wahlen sind kein Nischenthema mehr
Anna-Maria
Palzkill, die sich als Kommunikationswissenschaftlerin mit den Auswirkungen von
Technologien auf die Gesellschaft beschäftigt, ist überzeugt davon, dass
E-Voting einerseits die Demokratie stärkt und andererseits schon genutzt wird „Ob in einer IHK oder in einer
Genossenschaftsbank“. Auch politische
Parteien haben bereits die Software von Polyas
verwendet. Insbesondere für niedrigschwellige Wahlen würden sich die
Online-Wahlen lohnen: „Ein Verein, der Mitglieder in ganz Europa hat, der
braucht Online-Wahlen!“. Auf die Frage: „Werden Online-Wahlen kommen?“ ist sie
sich sicher: „Wenn genügend Erfahrungen in anderen Segmenten gesammelt wurden
und wir weiter forschen, werden Online-Wahlen kommen und man wird sich in 20
Jahren wundern, warum man überhaupt daran gezweifelt hat.“ Ihrer Meinung nach braucht es mehr Mut, die neuen Möglichkeiten auszutesten.
E-Voting wäre das Ende für die Demokratie
Anders sieht das hingegen Hernani Marques, der ein bekennender Gegner von Online-Wahlen ist und in der Schweiz diese durch eine gezielte Kampagne zum Boykott verhindern möchte. Seine These lautet: Es ist keine Sicherheit gegeben! Der gesamte Prozess von Online-Wahlen – beispielsweise an Bundestagswahlen – ließe sich niemals von einem einzelnen Menschen von Anfang bis Ende nachvollziehen. Deshalb seien Sicherheitslücken gar nicht vermeidbar, wie es Befürworter*innen in der Schweiz hingegen behaupten. Eine Unterwanderung des gesamten Prozesses sei deshalb stets möglich und betreffe sowohl die Manipulation von Wählerstimmen, als auch das Hacking von Endgeräten, Software und auch der Hardware. In Estland hätte man gesehen, wie unsicher die Technologie ist, äußert Marques. Auch die Verifizierung von Wähler*innen durch die elektronische ID-Karte sei zu unsicher für das E-Voting. Hernani Marques schlussfolgert, dass der gesamtgesellschaftliche Schaden unermesslich würde und damit das Vertrauen ins politische System ins Wanken geriet, würde man Online-Wahlen in ganz Deutschland auf Bundesebene einführen.
Auch im Hinblick auf die von Moritz Ritter gestellte Frage, ob E-Voting die seit Jahren mäßige Wahlbeteiligung auf Bundesebene wiederbeleben könnte, sind sich die beiden Gäste uneinig. Während Anna-Maria Palzkill durchaus Synergieeffekte für die Motivation von Wähler*innen durch Online-Wahlen sieht, äußert sich Hernani Marques deutlich dagegen. Für ihn ließe sich bislang keine Korrelation zwischen Wählerverhalten und elektronischem Wählen beobachten. Vielmehr nutzten diejenigen Wähler*innen E-Voting, die ohnehin gewählt hätten.Der
„fishbowl-Stuhl“ wird vom Publikum rege genutzt und die Debatte dadurch in
andere Kontexte gesetzt. Während eingewendet wird, dass Online Wahlen nicht auf
Bundestagswahlen oder demokratische Wahlen überhaupt begrenzt sein müssten,
wird darüber hinaus die Notwendigkeit von digitaler Bildung zur Befähigung des
Wählens angesprochen. Denn eines steht fest: Medienkompetenz gilt nicht zu
unterschätzen. Vielmehr ist diese sogar wichtiger als einen bestimmten zukünftigen Zeitpunkt
des E-Votings auszumachen.
Anonymität bewahren
Abgesehen
von den geäußerten Sicherheitsbedenken und der Frage wann Online-Wahlen endlich
Realität würden, spricht Bianca Praetorius (DiB) die Problematik der
Transparenz von Wahlsystemen an. Bei Wahlen steht nämlich im Vordergrund, dass
die Wähler*innen anonym bleiben können. Zwar erhöhten Online-Wahlen die Transparenz
des Systems insgesamt, dazu zähle aber auch, die potenzielle Möglichkeit
herauszufinden, welche Stimme für welchen Kandidaten abgegeben wurde. Somit
beruht das elektronische Wählen mehr auf dem Vertrauen gegenüber dem Admin,
der über die Daten verfügt, als auf der alleinigen Gewissheit der Wähler*innen, nur selbst zu wissen, für wen gestimmt wurde.
Wir sagen Danke an alle Teilnehmer*innen und freuen uns schon auf das FoLD-Treffen im nächsten Jahr!