20. Mai 2019

SpeakUp-Launch – Get up, SpeakUp!

Über 40 Jahre alt ist nun schon das berühmt berüchtigte Lied „Get Up, Stand Up“ von Bob Marley und Peter Tosh. Mindestens genauso berühmt, aber noch einen Hauch jünger sind wir, der Verein Liquid Democracy: 10 Jahre ist es her, dass sich Softwareentwickler*innen und Politikwissenschaftler*innen zusammenfanden, um die Grenzen der repräsentativen und direkten Demokratie mithilfe digitaler Tools zu verflüssigen. Diese revolutionäre Idee ist auch heute noch präsent. Immer wieder versuchen wir, neue Tools zu entwickeln, die demokratische, digitale Räume eröffnen. Pünktlich zu unserem 10-jährigen Jubiläum war es wieder so weit. Dieses Mal: Eine Web-App für inklusivere Diskussionen. May we present to you: SpeakUp!

Marie-Kathrin präsentiert unser neues Projekt: SpeakUp | CC-BY-SA 2.0

SIT DOWN, SPEAKUP?

Unser Plädoyer für eine inklusivere Diskussionskultur haben wir euch schon im letzten Blog-Eintrag unterbreitet. Unser Problem: Auf Diskussionsveranstaltung reden oft die gleichen Menschen, die es gewohnt sind, aufzustehen und sich zu repräsentieren. Menschen, die sich nicht trauen – aus diversen Gründen – werden damit systematisch aus der Diskussion ausgeschlossen. Wir sind der Meinung, dass Austausch von unterschiedlichen Perspektiven lebt. Dabei muss deutlich werden, welche Gruppen die Diskussion dominieren und wer nicht repräsentiert wird. SpeakUp zielt darauf ab, digitale Räume zu schaffen, um diverse Perspektiven sichtbar zu machen und die Möglichkeit zu schaffen, sie aktiv in den Diskurs einzuladen. Und das ab sofort im Sitzen! 

SpeakUp – das ist eine Web-Anwendung, die als digitale*r Assistent*in die Redelisten für Moderator*innen vereinfacht, das Bewusstsein für Rede-Dominanzen schärft und diversere und inklusivere Diskussionen ermöglicht. Die Idee dahinter ist, dass während einer Veranstaltung über Smartphones live Fragen gestellt werden können, die für die Moderation und die Teilnehmenden einsehbar sind. Dies nimmt die Barriere, etwas öffentlich sagen zu müssen und eröffnet einen „safe-space“ für nicht-rededominante Menschen. Gleichzeitig werden zu den Fragen Merkmale (z.B. Geschlecht, Alter, Bildung, o.a.) angezeigt, die die Teilnehmenden aus vorgegebenen Optionen selber auswählen konnten. Damit soll es der Moderation erleichtert werden, eine balancierte Diskussion zu führen, denn sie kann Fragen von unterrepräsentierten und nicht-rededominanten Gruppen bewusst in die Diskussion integrieren. Menschen müssen also nicht erst aufstehen, um sich zu Wort zu melden. Sorry Bob, es ist Zeit, deinen Text ans 21. Jahrhundert anzupassen: Sit down, SpeakUp!

SpeakUp in Aktion während unserer Diskussion über Digitale Beteiligung in Parlamenten | CC-BY-SA 2.0

DER ERSTE PRAXISTEST

Am 9. Mai wurde SpeakUp gelauncht – und natürlich konnten wir es kaum erwarten, unser Tool selber auszuprobieren. Die Fishbowl-Diskussion im Rahmen unseres Jubiläums haben wir also sofort für einen ersten Test-Lauf genutzt. Im Vorfeld haben wir lange überlegt, welche Merkmale wir für die Diskussion angeben. Aus unserer Beobachtung, dass meistens männlich sozialisierte Menschen rededominantes Verhalten zeigen, haben wir uns für die Merkmale „weiblich sozialisiert“, „männlich sozialisiert“ und „keine Angabe“ entschieden, um weiblich sozialisierte Menschen und deren Beiträge sichtbar(er) zu machen. Und dann hieß es: Let the discussion begin!

Die Teilnehmenden griffen sofort zu ihren Smartphones und beteiligten sich an der Diskussion auf SpeakUp, trugen Fragen und Bitten ein und versuchten zu trollen. Ich war verantwortlich, die hereinkommenden Fragen zu sortieren und anschließend in den Fishbowl hineinzutragen. Aber was muss ich sehen? Ich las immer mehr Fragen – von „männlich sozialisiert“, „keine Angabe“, „keine Angabe“, „männlich sozialisiert“, „keine Angabe“. Von „weiblich sozialisiert“ keine Spur. Hm. Gut. Vielleicht war es doch zu offensichtlich, auf was wir abzielen?

Und dann kamen sie doch: 2 Fragen von User*innen mit der Angabe „weiblich sozialisiert“. Ich las eine davon vor, eine der Podiumsteilnehmenden antwortete, allerdings anscheinend nicht zur vollen Zufriedenheit der fragestellenden Person. Prompt stand diese auf und setzte sich in den Kreis und diskutierte direkt mit. In mir: ein kleines Freudenfeuer. Genau dafür ist SpeakUp gedacht. 

Prototype 1.0: Merkmal auswählen und an der Diskussion beteiligen | CC-BY-SA 2.0


PROBIER SPEAKUP SELBER AUS! 

Du möchtest es selber erleben? Probier doch unseren Prototypen direkt aus! Schau vorbei unter speakup.digital. Dort findest du weitere Informationen zur Funktion sowie zum ersten Testlauf bei unserer Jubiläumsfeier am 09. Mai. Du kannst auch direkt Marie-Kathrin (m.siemer@liqd.net) oder Magda (m.noffke@liqd.net) schreiben. 

Unsere Vision ist, dass mit SpeakUp mehr Menschen mitbekommen: Meine Perspektive zählt. Meine Frage zählt. Ich werde gehört und wahrgenommen. Ich kann mich einbringen. Und dann kommen wir Bob Marley und Peter Tosh doch recht nah: Get up, SpeakUp!